Zum städtischen Vermögen gehörte der Ratskeller im Rathaus, erstmals um 1460 von dem Mindener Domherrn Heinrich Tribbe erwähnt. 1 Er lag auf der Nordseite des Rathauses und war kein Keller im heutigen Sinne. Er lag auf halber Treppe zum Parterre und konnte sowohl vom Rathaus als auch von außen vom angrenzenden Scharrn her betreten werden. Der Ratskeller wurde „verheuert“, d. h. verpachtet. Der Wirt hatte sich an die vom Rat vorgegebene Preisordnung zu halten.
Am 17. September 1629 wurde der Ratskeller an M. Steffen verpachtet. 2 Die Pacht von 15 Rtlr (Reichstaler) war jährlich zu Michaelis (29. September) an die Stadtkasse abzuführen. Von jedem Ohm 3 Wein war 1 Rtlr, von jedem Ohm Branntwein waren 2 Rtlr , und von jedem Fuder Mindener Bier 9 Groschen an die Stadtkasse abzuführen. Dem Pächter wurde aufgetragen, den Bierkrug maßgerecht aufzufüllen. Er sollte den „bierkumpt richtigh einlibbern“. Mit „bierkumpt“ ist der hölzerne Bierkrug gemeint. Er war robust, preisgünstig und konnte einen kräftigen Stoß vertragen. Der Ausschank im Ratskeller wurde nach Osnabrücker Maß 4 berechnet. Kanne, Henkelmann und Viertel waren die üblichen Maße. Pächter Steffen war von städtischen Wacht- und Bollwerksdiensten befreit. Die Hauptlast der Bollwerksdienste war die Pflege der Befestigungsanlagen. Der Vertrag war „in corona senatus“ ausgehandelt und beschlossen worden.
Am 9. Dezember 1636 gab es einen neuen Pächter. Er hieß Gerd Vogeler. Er übernahm die Auflagen und Sonderrechte seines Vorgängers. Die Mindener Bierfuhren waren preislich nicht festgelegt und richteten sich nach den allgemein üblichen Preisen. Eine neue Auflage war eine Getränkesteuer, die Wein- und Bierakzise. Die Kontributionspflicht, die Zahlung von Sondersteuern, um Kriegsschäden bezahlen zu können, blieb für Vogeler im Gegensatz zu seinem Vorgänger Bürgerpflicht.
Am 7. September 1642 wurde der Ratskeller an den Stadtrichter Peter Riestenpatt 5 verheuert. Ein „elocation und conductions contract“ wurde geschlossen, der Pacht und Preisgestaltung festlegte. Die Preise waren überwiegend stabil geblieben. Die Wein- und Bierakzise war zu entrichten. Die Mindener Bierfuhren hatten sich erheblich verteuert. Eine Fuhre schlug mit einer Abgabe von einem Rtlr zu Buche. Das bedeutete gegenüber Steffens Vertrag einen Aufschlag von 27 Groschen, der als Akzise berechnet war. Auf Betreiben Riestenpatts wurde der Betrag auf 18 Groschen heruntergesetzt.
Den Ratsherren war es untersagt, beim Wirt anschreiben zu lassen. Riestenpatt wurde ein Privileg zugesprochen, das schon seinen Vorgängern zugestanden hatte. Er war von Bollwerksdiensten befreit. Zu den Auflagen gehörten „contribution und Inquartierung“, Sondersteuer und Einquartierung. Es waren drückende Lasten. Die Adelshöfe waren davon befreit, was in Kriegszeiten jedoch keine Bedeutung hatte. Die Einquartierungspflicht wurde Riestenpatt später erlassen. Denn Einquartierung bedeutete auch eine Belastung für den Ratskeller. Wie sollte ein städtisches Wirtshaus ordentlich betrieben werden, wenn ständig Militär mit seinen rauhen Sitten den Betrieb störte?
Die Verpachtung des Ratskellers an den Stadtrichter deutet darauf hin, dass der ihm zustehende Anteil aus den Gerichtsgebühren kaum zu einem standesgemäßen Leben reichte. Nebeneinnahmen waren willkommen. Wer letztendlich das Lokal betrieb, war Riestenpatts persönliche Angelegenheit. Auf jeden Fall versprach er, das heruntergekommene Lokal wieder in einen gastfreundlichen Zustand zu versetzen. Am Ende der Sitzung wurde der Vertrag vorgelesen und zwischen den Vertragschließenden per Handschlag für rechtskräftig erklärt.
Im April 1651 wurde der Stadtkeller erneut verpachtet. 6 Beworben hatte sich Leutnant Albrecht Albrechsen, der im Militärdienst ein kleines Vermögen angehäuft hatte, das ihm einen Vorteil bei der Bewerbung verschaffen sollte. Albrechsen bot der Stadt ein Darlehn von 100 Rtlr an, falls die Ratsherren ihn als Pächter akzeptieren würden. Er versprach außerdem, den „bey fuergewesenen Kriegeß Zeiten sehr verdorbenen“ Ratskeller zu renovieren. Das waren für die Stadt Gründe, den Bewerber, der sich nach seiner Militärzeit eine bürgerliche Existenz aufbauen wollte, unter Vertrag zu nehmen. Die Stadt war hoch verschuldet. Besonders die Grappendorfschen Forderungen nach der Plünderung durch die Dänen im Jahre 1627 machten ihr immer noch zu schaffen. Um die Dänen zu befriedigen, hatte die Familie von Grappendorf eine hohe Summe vorgeschossen. Die Stadt war bis dahin nicht in der Lage gewesen, das Geld fristgerecht zurückzuzahlen. 7 Auch die geringste finanzielle Unterstützung wurde von der Stadtverwaltung wahrgenommen. Der Rat schloss mit Albrechsen einen „Conductions Vertrag“.
Die vom Bewerber zugesagten und bereits ausgezahlten 100 Rtlr sollten auch zur Renovierung des Kellers und eines Nebenhauses im Scharrn verwendet werden. Die Lokalitäten, Ratskeller und Nebenhaus, wurden für eine Jahresmiete von 15 Rtlr an den Bewerber verpachtet. Die aus dem Darlehn auflaufenden Zinsen konnte der Pächter in Abzug bringen. Die Kündigungsfrist wurde auf ein halbes Jahr festgelegt. Es gab die üblichen Auflagen. Von jeder in Minden georderten Bierladung waren 18 Groschen an die Stadtkasse abzuführen. Weiter verlangte die Kasse von einem Ohm französischen Weins einen Reichstaler, von einem Ohm französischen Branntweins zwei Reichstaler. Albrechsen versprach, den Keller „in guter Verwahrung zu halten“.
Alle Bemühungen, den Ratskeller in einem ansehnlichen Zustand zu erhalten, waren letzten Endes vergeblich. Er wurde trotz aller Bemühungen allmählich heruntergewirtschaftet. Wenig zuverlässige Wirte trugen dazu bei, dass der Keller gegen Ende des 18. Jahrhunderts aufgegeben werden musste. Dazu hatte auch die Konkurrenz der lokalen Gaststuben beigetragen.
Lübbecke, 22. März 2016
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1 Mindener Geschichtsquelle II, S. 25.
2 Stadtarchiv Lübbecke (zit.:StadtAL), A 128, Bl. 70´.
3 Das Hohlmaß Ohm wird bei 130 Litern gelegen haben.
4 StadtAL, A 423, Bl. 13 und A 128, Bl. 302
5 StadtAL, Bürgerbuch, S. 28 und A 128, Bl. 302.
6 StadtAL, A 128, Bl. 510. Datumszeile fehlt. Jahresangabe aus der Protokollfolge erschlossen.
7 Helmut Hüffmann, Der dänische Überfall auf die Stadt Lübbecke im Jahre 1627 und die Grappendorfschen Forderungen. In: Ein Haus für die Geschichte, 89. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg (Jg. 2004), S. 113-135.