Stadt Lübbecke

Schnellmenü

Inhaltsbereich

Der Lübbecker Landrat Adolf von der Horst

Adolf von der Horst erfuhr als Landrat des Kreises Lübbecke (Amtszeit 1838 – 1870) nicht nur Zustimmung. Liberale Kreise hielten ihn politisch für hoffnungslos rückständig. Andere sahen in ihm einen Fürsprecher wirtschaftlichen Fortschritts. Vor seiner Tätigkeit als Verwaltungsbeamter hatte er ein abgebrochenes kurzes Jurastudium hinter sich gebracht. Am 1. Dezember 1826 war er in das 8. Ulanen-Regiment in Trier eingetreten. Nach seinem Abschied vom Militär wandte er sich dem Verwaltungsdienst zu. Am 27. November 1838 wurde er im Alter von 32 Jahren zum Landrat des Kreises Lübbecke berufen. Die Dienstgeschäfte wurden auf Gut Ellerburg abgewickelt. Als sein Vater, der ehemalige Mindener Regierungspräsident Karl v.d Horst, ihm 1841 die Gutsverwaltung von Hollwinkel übertrug, wurde Ellerburg als Dienstsitz beibehalten. Das Landratsamt bestand aus drei Personen, dem Landrat, dem Sekretär und dem Boten.

Landrat Adolf von der Horst
Original: Hollwinkel 
Vom Charakter her erzkonservativ, war Adolf v.d. Horst neuzeitlichen Ideen gegenüber durchaus aufgeschlossen. Sein besonderes Interesse galt der Landwirtschaft. Er war Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Vereins des Kreises Lübbecke, der sich die Modernisierung der Landwirtschaft auf die Fahne geschrieben hatte, was nicht unbedingt Zustimmung hervorrief. Den vom Verein propagierten Neuerungen wie Ackerbaumaschinen und Kunstdünger, publiziert im Sonntagsblatt für Land- und Forstwirte, standen zahlreiche Bauern ablehnend gegenüber. Der Landrat hatte dafür kein Verständnis und warf den Bauern Rückständigkeit vor. Auf Verständnis bei den Bauern stießen die Maßnahmen zur Entwässerung, besonders im Nordkreis, der immer wieder von Überschwemmungen bedroht war.

Auf dem Fest des Landwirtschaftlichen Vereins am 9. September 1850 in Bad Fiestel herrschte einträchtiges Beisammensein mit Stangenklettern, Hahnenschlagen, Sacklaufen, Tierschau und einem Festessen auf der Brunnenwiese des Bades. Das Hahnenschlagen war ein uraltes Volksvergnügen und wurde von Ort zu Ort unterschiedlich gehandhabt. So war es mancherorts üblich, einen Hahn unter einem umgestülpten Korb zu verstecken. Dem Teilnehmer wurden die Augen verbunden, um anschließend mehrere Male im Kreis gedreht zu werden. Schwindelig mit einem Stock in der Hand mußte er versuchen, mit möglichst wenigen Schlägen den Korb zu treffen. Gelang ihm das Kunststück, dann war er der Sieger und Hahn im Korb - mit dem Hahn als Siegestrophäe.

Viele Bauern und einige Gutsbesitzer standen der fortschreitenden Industrialisierung mit ihren Unwägbarkeiten ablehnend gegenüber. Auch von dem neumodischen Verkehrsmittel Eisenbahn wollte man nicht viel wissen, denn mit dem Gleisbau würden die billigen landwirtschaftlichen Hilfskräfte abwandern und womöglich den Kreis Lübbecke auf immer verlassen. Als 1863 die ersten Pläne zum Kanalbau bekannt wurden, war man erst einmal dagegen und reihte sich in die Reihe der „Kanalrebellen“ ein. Obwohl standesbewußt eingestellt, kritisierte der Landrat die mangelnde Bereitschaft seines Standes, sich den Herausforderungen der Neuzeit zu stellen.

Zusammen mit der Lübbecker Stadtverwaltung drängte er auf die Verbesserung der Straßenverhältnisse, die immer dann besonderen Ärger hervorriefen, sobald wieder einmal ein Fuhrwerk im Morast stecken geblieben war. Gefürchtet war im Spätherbst und zur Winterzeit die Herforder Chaussee auf der höchsten Stelle, der Flur „Schwarze Erde“ im Wiehengebirge, vor dem Abzweig nach Hüllhorst. Der Landrat sorgte dafür, daß der Boden hier um 15 Fuß , etwa 5 ½ Meter, abgesenkt wurde. Die Strecke von Lübbecke bis zur Herforder Kreisgrenze wurde verbreitert und neu befestigt. Der Chausseebauaufseher Hermann Heinrich Mescher erkannte die Gunst der Stunde und bat um eine Schankkonzession für ein Gasthaus, das er auf der „Schwarzen Erde“ errichten wollte. Der Landrat stand dem Plan wohlwollend gegenüber und befürwortete eine Schankkonzession. Das war der Anfang einer bekannten Ausflugsgaststätte, des späteren Gasthauses Sölter, an der nach dem Landrat benannten Horst's Höhe. Die im Frühjahr 1854 begonnenen Straßenbauarbeiten an der Herforder Chaussee konnten im Folgejahr abgeschlossen werden. Dieses Jahr war für den Landrat ein politischer Erfolg. Er war in das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt worden.

Die liberalen Kräfte, denen sich einige Lübbecker Bürger um Bürgermeister Strubberg verbunden fühlten, sahen in dem Landrat ein Schreckgespenst, das allen liberalen Ideen am besten sofort das Licht ausblasen würde. Der Landrat und seine politischen Gesinnungsgenossen  standen einem Verfassungsstaat, der das Mehrheitsprinzip anerkannte, der die Trennung von Staat und Kirche vorsah und die kirchliche Aufsicht über die Schulen abschaffen wollte, ablehnend gegenüber. Einen willigen Helfer hatten sie in dem Lübbecker Pfarrer Arnold Wilhelm Möller gefunden, der ständig versuchte, die Entscheidungen der Stadtverwaltung in seinem Sinne zu beeinflussen. Bürgermeister, Magistrat und Stadtrat hielten davon wenig. Auch die Mehrzahl der Bürger hielt sich reserviert zurück, bis auf ein paar Frömmler, die an allem etwas auszusetzen hatten und sofort zur Feder griffen, wenn sie die Moral wieder einmal gefährdet sahen.

Energisches Eingreifen von Seiten der Behörden war gefragt, als nach der ungewöhnlichen sommerlichen Hitze des Jahres 1846 die Ernte äußerst bescheiden ausfiel. Die Folge war, daß die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellten und Unruhen in der Bevölkerung um sich griffen. Die Roggenernte hatte kaum die Hälfte, die Kartoffelernte nicht einmal ein Drittel früherer Ernten erreicht. Hilfe tat not.

EllerburgLandrat v.d. Horst verließ sich auf Regierungshilfe und wurde enttäuscht. Am 1. Februar des Jahres 1847, als Hunger und Frost den verarmten Bevölkerungsschichten zusetzten, reiste er nach Berlin. Mit ihm reiste die Hoffnung auf Zusage finanzieller Hilfe. Dem Kreis Lübbecke war zwar vom Oberpräsidenten der Provinz Westfalen ein Darlehen von 2.000 Taler bewilligt worden, das zur Linderung der Not vorn und hinten nicht ausreichte. Etwa zwei Wochen hielt sich der Landrat in der Hauptstadt auf und versuchte, bei den maßgeblichen Regierungsstellen vorstellig werden zu können. Gewöhnlich wurde er als lästiger Bittsteller hingehalten. Am 13. Februar geschah das Wunder, der Landrat wurde zur Audienz beim Thronfolger, Prinz Wilhelm, dem späteren König und Kaiser, vorgelassen. Der Landrat schilderte beredt das königstreue Landvolk seines Heimatkreises. Die „Schweine in den Städten“, die immer wieder Ärger machten, fielen seiner Ansicht nach nicht ins Gewicht. Zu diesen Schweinen dürfte der Lübbecker Bürgermeister Strubberg gehört haben, der mit seinen liberalen Ideen nur Ärger verursachte, schlimmer noch, er nannte die sozialen Probleme beim Namen. Landrat v.d. Horst glaubte seinem Ziel nahe zu sein, als er vom König Friedrich Wilhelm IV. zur Tafel gebeten wurde. Trotz aller Bemühungen kam er seinem Ziel nicht näher, für den Kreis Lübbecke eine großzügige königliche Geldspende herauszuschlagen. Eine Bevorzugung des Kreises Lübbecke wurde abgelehnt.

Mit der verhängnisvollen Revolution von 1848 brach für den Landrat eine Welt zusammen. Ungestüm verlangten weite Bevölkerungsschichten, von wirtschaftlicher Not getrieben, eine grundlegende Veränderung ihrer Lebensverhältnisse. Der Rahdener Amtsschreiber ergriff in panischer Angst die Flucht, als er sich einer aufgebrachten Frauenmeute gegenübersah, die den Amtmann zu sprechen wünschte, Brot und Kartoffeln verlangte und die keine Hemmungen gehabt hätte, auf den Amtsschreiber, noch besser auf den Amtmann, einzudreschen, wären sie nur in ihre Finger gefallen.

Als auch im Lübbecker Land die Freudenfeuer der Revolution brannten, war das für den Lübbecker Landrat ein Tag der nationalen Schande. Als sich in Berlin das Blatt wendete und Militär- und Polizei das Heft in die Hand nahmen, war das für den Landrat eine Genugtuung. Pressefreiheit und allgemeines Wahlrecht führten nach Ansicht des Landrats geradewegs in die Anarchie.

Eine Genugtuung mag es für ihn gewesen sein, als er davon hörte, daß die Wiederwahl Strubbergs zum Bürgermeister der Stadt Lübbecke von der Regierung nicht anerkannt wurde. Am 1. Dezember 1855 legte Strubberg sein Amt nach 12-jähriger Tätigkeit nieder. Ein für seine liberale Gesinnung bekannter Bürgermeister war auf intrigante Weise aus dem Amt gedrängt worden. Die Konservativen konnten sich gegenseitig auf die Schulter klopfen. Auch Pfarrer Möller wird sich die Hände gerieben haben. War man doch endlich einen dieser verdammten Liberalen los, denen man nicht über den Weg trauen konnte und die der Kirche ohnehin nur übelwollten.

HollwinkelLandrat v.d. Horst trieb weiter den Straßenbau voran. Es war sein Wunsch, eine Landwirtschaftsschule einzurichten. Vorerst mußte er sich mit landwirtschaftlichen Wanderlehrern begnügen, die mit seiner Unterstützung von Ort zu Ort, von Gastwirtschaft zu Gastwirtschaft zogen. In Lübbecke war man der drohenden Massenverelendung wirksam entgegengetreten. Die Tabak- und Textilindustrie hatte für Hunderte von Beschäftigten einen bescheidenen, aber auskömmlichen Verdienst geschaffen. Davon profitierten in den umliegenden Dörfern die Familien der Kleinbauern und Heuerlinge.

Auch auf dem Geldmarkt gab es Veränderungen. Am 8. Dezember 1857 eröffnete die Kreis-Spar- und Darlehnskasse des Kreises Lübbecke, später Kreissparkasse, ihr Geschäft. Vorsitzender des Aufsichtsrates war Landrat v.d. Horst, der die Gründung mit vorangetrieben hatte, um vor allem der ländlichen Region ein nahe liegendes Institut zur Kapitalbeschaffung zu geben.

Landrat v.d. Horst nahm am 28. Juli 1870 auf persönlichen Antrag seinen Abschied. Er verbrachte noch einige Jahre auf Hollwinkel. Aus Gesundheitsgründen verbrachte er die letzten Monate seines Lebens in Wiesbaden, wo er am 30. Juli 1880 verstarb.

Lübbecke, 17. Juli 2008

Autor: Stadtarchivar Helmut Hüffmann, Illustrationen vom Verfasser 

Kontakt

Frau Christel Droste »
Dezernat 1 | Hauptverwaltung
Telefon: 05741 276-411
Fax: 05741 276111
E-Mail oder Kontaktformular