Im 13. Jahrhundert war der Kampf um Herrschaftsrechte voll entbrannt. Der Aufbau und Ausbau der Landeshoheiten war in vollem Gange. In der hiesigen Region bildeten sich die Grafschaften Diepholz, Ravensberg, Schaumburg und die Herrschaft Lippe heraus. Die weltlichen Herrschaftsgebiete der geistlichen Herren, der Bischöfe von Minden und Osnabrück, nahmen Gestalt an. Ein Mittel zur Stabilisierung des eigenen Herrschaftsbereiches waren Stadtgründungen bzw. Verleihung von Stadtrechten an Orte, die, soweit vorhersehbar, für die Zukunft genügend wirtschaftliche Kraft aufbringen würden, um als Stadt bestehen zu können, ohne in Dörflichkeit zurückzufallen. Im Jahre 1261 verlieh der Mindener Bischof Kono dem Ort Wunstorf Mindener Stadtrecht. Konkurrierende Herrschaftsrechte gingen von den Grafen von Roden-Wunstorf aus. Als Lehnsträger der Mindener Bischöfe konnten sie die landesherrlichen Rechte der Bischöfe von Minden auf die Dauer nicht sichern. Die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg erwiesen sich als mächtiger und einflußreicher.
Um die bischöflich-mindische Landeshoheit zu stärken, verlieh der Mindener Bischof Volquin von Schwalenberg dem Ort Repholthusen (Holzhausen b. Stolzenau) am 6. Juni 1284 Mindener Stadtrecht. In Repolthusen, im Einflußgebiet der Grafen von Hoya, blieb der wirtschaftliche Erfolg als Basis bürgerlichen Lebens aus. Beide Fälle, Wunstorf und Repholthusen, erwiesen sich als Fehlschläge für die bischöfliche Landespolitik.
Nur der Ort Lübbecke, dessen stadtrechtlicher Status am 30. Januar 1279 festgeschrieben wurde, erwies sich als stabiler Pfeiler der mindischen Territorialpolitik und trug im Verein mit der nahe gelegenen Landesburg Reineberg maßgeblich dazu bei, daß sich im Umland der Stadt die mindische Landeshoheit durchsetzen konnte. In der Beurkundung vom 30. Januar 1279 wies Bischof Volquin auf die hohen Kosten hin, die bereits seine Vorgänger für die städtische Befestigung ausgegeben hatten. Die Erhebung Lübbeckes zur Stadt war also schon längere Zeit in Planung gewesen. Ein Siedlungsgebiet nördlich der Langen Straße war ausgewiesen worden. Es handelte sich hierbei um Grundstücke beiderseits der Niedernstraße. Die Straßenbezeichnung ist als "Neue Straße" (nien strate) zu deuten. Bürgerliche Freiheiten wurden denjenigen Hinzuziehenden versprochen, denen der Zuzug gestattet war.
Die Fertigstellung der städtischen Befestigung nahm Jahrzehnte in Anspruch. Gräben mußten ausgehoben, Wälle aufgeworfen und Mauern fundamentiert werden. Von noch auszuführenden Arbeiten ist in einer Beurkundung vom 31. August 1298 die Rede, ausgestellt unter Bischof Ludolf von Rosdorf. Um die Arbeiten finanzieren zu können, waren der Stadt Lübbecke landesherrliche Einkünfte verpfändet worden - unter Ausnahme der landesherrlichen Einkünfte aus Mühle und Gericht. Zu den bischöflichen Mühlen gehörte die reinebergische Amtsmühle vor dem Bergertor, die spätere Königsmühle. Zu den landesherrlichen Einkünften gehörte der Grundzins als Anerkennung des bischöflichen Obereigentums. Diese Zinsabgabe war mit jedem bürgerlichen Grundstück verbunden und wird heute in einer anderen rechtlichen Form als Grundsteuer weitergeführt. Die verpfändeten Einkünfte standen damals der Stadtkasse solange zur Verfügung, bis die Pfandsumme, wobei eine Verzinsung zu berücksichtigen ist, wieder eingenommen war. Außerdem sollten die bürgerlichen Grundstücke mit einer Sondersteuer belegt werden. Das Geld war nach dem Willen des Landesherrn vornehmlich für den Mauerbau bestimmt. Um 1300 wird die Stadt dem gewohnten äußeren Bild entsprochen haben mit Türmen, Wällen und Gräben. Es gab vier Stadttore, das Berger-, Wester-, Nieder- und Ostertor. Außerdem gab es eine mehrwallige Landwehr, die die Stadt in einem Abstand von etwa 400 Metern umzog. Zwischen Wall und Landwehr lagen die Gärten und Ackerstücke der Bürgerhäuser sowie der Adels- und Kirchenhöfe. Außerhalb der Landwehr gab es noch Außenbefestigungen. Umwallte Außenanlagen lassen sich auf Vierlinden nahe dem Gut Obernfelde, in der Wettlage und am Rahdener Weg an der Johannismühle – heuteTelkemeier – nachweisen.
In der um 1460 verfaßten Beschreibung von Stadt und Stift Minden des Mindener Domherrn Heinrich Tribbe wird Lübbecke als eine gut befestigte Stadt beschrieben. Der Autor nennt fünf Mühlen. Davon lagen vier innerhalb der Stadt und eine außerhalb vor dem Niedertor. Gemeint sind die von der Ronceva im östlichen Stadtgraben über Staustufen angetriebenen Mühlen. Welche Mühle außerhalb der Befestigung gemeint ist, läßt sich nicht mehr eindeutig festlegen. Es kann die Rote Mühle oder die Brinkmühle gemeint sein. Letztere ist älteren Bürgern noch als Grunewaldsche Mühle bekannt.Unter den verschiedenen Örtlichkeiten führt Tribbe auch die Niedernstraße, den Marktplatz, den Friedhof an der St.-Andreas-Kirche und den Kirchturm an. Letzterer war 1350 erhöht worden und diente, da stadteigen, auch als Beobachtungsturm. Für bemerkenswert hält er das steinerne Haus des Rates, das Rathaus. Gemeint ist, daß es im Gegensatz zu den Fachwerkbauten massiv aufgeführt war. Die Giebelfronten waren jedoch in Fachwerk gesetzt. Dort, im Rathaus, so Tribbe, pflegten die Lübbecker ihren Tanzvergnügungen nachzugehen. Gemeint ist der Festsaal im ersten Stock des Rathauses, der jedoch nur für die Honoratioren aus Adel und Bürgertum zugänglich war. Das gewöhnliche Volk vergnügte sich auf den Straßen und auf dem Tanzplatz, der Danzelstätte. Anzufügen ist, daß der Festsaal noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts genutzt wurde.
Mit dem Rathaus verbunden war ein Bierkeller, auch Ratskeller genannt. Hier fand sich ein gemischtes Publikum ein. An dem Bierverkauf war auch die Stadtkasse beteiligt, die ihren Anteil einstrich. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war der Ratskeller jedoch so heruntergewirtschaftet, daß er aufgegeben werden mußte.Materialien für Bauzwecke waren nach Angaben des Domherrn Tribbe einen Schleuderwurf von der Stadt entfernt reichlich vorhanden. Gemeint sind die städtischen Waldungen und Steinbrüche. Von den Ämtern der Handwerker werden die Bäcker, Schuster, Schneider und Schmiede genannt..
Die Kollegiatkirche mit den Kirchenpatronen Andreas und Johannes dem Täufer findet bei dem Autor gebührende Erwähnung. Mit Kollegiatkirche ist die Verbindung von Stadt- und Stiftskirche gemeint. Das Stift unter dem Schutz Johannes des Täufers war 1275 in Ahlden a. d. Aller gegründet worden und wurde 1280 von dort nach Neustadt am Rübenberge verlegt. Landesherrliche Interessen waren entscheidend gewesen, als es 1295 nach Lübbecke an die St.-Andreas-Kirche verlegt wurde, wo es auch Andreas als Schutzheiligen annahm. Hier wurde dem Stift ein Chorteil mit dem Hochaltar als Eigentum zugewiesen.
Die Häuser und Höfe der Geistlichkeit lagen um den Friedhof. Davon ist heute noch ein Gebäude erhalten, das Haus des Stiftdekans, ein Fachwerkhaus, in dem heute das evangelische Gemeindebüro untergebracht ist. Für bemerkenswert hält Tribbe das südlich der Kirche gelegene Stiftshaus, das zu seiner Zeit wegen Dachschäden abgebrochen werden mußte. Es handelt sich bei diesem Hof um einen der zwölf bischöflichen Tafelgüter, die jeweils für einen Monat im Jahr den bischöflichen Hof zu versorgen hatten. War der Bischof samt Gefolge in Lübbecke anwesend, dann bezog er dort seine Wohnung, die wiederum mit der bischöflichen Kapelle im Turm der Kirche über eine Brücke verbunden war. Die Lage des Stiftshauses ist in etwa mit dem Pfarrhaus identisch.
Auch der Rat der Stadt Lübbecke findet bei Tribbe Erwähnung. Er war zu seiner Zeit überwiegend mit Vertretern aus den Adelsfamilien besetzt und führte seinen Angaben nach den Amtstitel "Ritter und Ratsherrn" von Lübbecke. Der vollständige Titel, wie er bis 1807, also bis zur "französichen" Zeit im Königreich Westfalen, in den amtlichen Schriftstücken üblich war, hieß "Wir Ritterschaft, Bürgermeister und Rat der Stadt Lübbecke".
Quellen: Westfälisches Urkundenbuch VI,Mindener Geschichtsquellen II.
Lübbecke, 10. April 2006