Stadt Lübbecke

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Bischofs Mühle - Königsmühle

Wind- und Wassermühlen waren in hiesiger Region einmal landschaftsprägend im städtischen wie im ländlichen Bereich. Sie waren über die landwirtschaftliche Bedeutung hinaus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für das Handwerk. Metall-, Holz- und Leinenverarbeitung waren von den Mühlen abhängig, die Mahlsteine und Pochwerke in Bewegung setzten. In Lübbecke bot sich die Wasserkraft der  Ronceva an, eines Baches, der den östlichen Stadtgraben durchfloß.

Mühlen, die zum Wirtschaftsbetrieb der Landesburg Reineberg und des bischöflichen Domhofes in Lübbecke gehörten, werden 1298 erstmals urkundlich erwähnt. Es ging damals um die Finanzierung der Stadtbefestigung, die noch nicht vollendet war. Die Finanzierung war Angelegenheit der bischöflichen Kasse und damit des Bischofs von Minden. Um der Geldnot abzuhelfen, verpfändete der Bischof landesherrliche Einnahmen in Lübbecke an die Stadt Lübbecke. Die Einnahmen aus der Grundsteuer dürften auf Jahre hinaus verpfändet gewesen sein. Die Lübbecker Stadtkasse hatte das notwendige Geld vorgestreckt, so daß die Arbeiten an der Befestigung fortgesetzt werden konnten. Es waren jedoch nicht alle bischöflichen Einnahmen zu Pfandobjekten gemacht worden. Ausgenommen waren die Einnahmen aus Mühle und Gericht. Die Beurkundung von 1298 erwähnt nur die bischöflichen Mühlen, sagt aber nichts über ihre Zahl und Lage aus. Zu ergänzen ist, daß es weitere Mühlen gab, die dem Festungsring eingefügt oder ihm vorgelagert waren. Die Mühlen hielten das Wirtschaftsleben der Stadt in Schwung.

Mechanischer KünsteZu dieser Zeit des ausgehenden 13. Jahrhunderts hatte Westeuropa seine erste technisch-wirtschaftliche Revolution hinter sich gebracht. Die Wassermühlen, ob ober- oder unterschlächtig, gehörten zum Wirtschaftskreislauf der Städte und erfüllten viele Funktionen, sei es als Getreide-, Öl-, Loh- oder Walkmühle. So war es auch in Lübbecke. Wie im Mühlengetriebe die Umsetzung der Kräfte erfolgte, zeigt beispielhaft die hier beigegebene  Darstellung aus dem Buch  „Schatzkammer mechanischer Künste“, das 1620 in Leipzig verlegt wurde. Die dargestellten technischen Möglichkeiten waren im ausgehenden Mittelalter bekannt.

Die mit den Lübbecker Adelshöfen verbundenen Mühlen konnten von den Bürgern in freier Wahl genutzt werden, jedoch nicht von den Bauern. Hier war der Mahlzwang zu beachten. Bauernhöfe, die beispielsweise zur Korffschen Grundherrschaft gehörten, ließen ihr Getreide in der Korffschen Mühle vor dem Niedertor mahlen. Da die langen Anfahrtswege für die Bauern häufig unwirtschaftlich waren, gab es Nebenmühlen auf einem örtlich günstiger gelegenen, zur Grundherrschaft gehörenden Bauernhof. 

Lübbecke war, was das Mühlenwesen betraf, in einer landschaftlich günstigen Position. Das Gefälle vom Bergertor bis zum Niederwall machte es möglich, daß mehrere Mühlen nacheinander angetrieben werden konnten. Staustufen waren angelegt worden sowie Sammelbecken vor dem Stadtwall, um den nötigen Wasserstand erreichen und halten zu können. Überlaufrinnen führten das Wasser auf die Mühlräder. Zeitweise liefen im östlichen Stadtgraben fünf Mühlen nacheinander. Eine der letzten, noch tätigen Mühlen war Meyrahns Getreidemühle am Ostertor. Auch das Handwerk nutzte die Wasserkraft. Tischler Günther an der Feuerrenne war der letzte Handwerksmeister, der die Wasserkraft der Ronceva nutzte. Beide Betriebe, Meyrahn und Günther, waren noch nach dem Zweiten Weltkrieg tätig.

Vor dem Bergertor zwischen Haberland und Papenstraße (B 239) lag eine der bischöflichen Mühlen, die zum Wirtschaftsbetrieb der vor der Stadt liegenden Landesburg Reineberg gehörte. Bauern, die zur bischöflichen Grundherrschaft der Landesburg gehörten, waren verpflichtet, ihr Getreide dort in der Mühle an der Papenstraße mahlen zu lassen.  Bei den bischöflichen Mühlen wurde also der Mahlzwang angewendet, der bei den Lübbecker Bürgern unbekannt war.

Nicht weit entfernt davon an der Ecke Feuerrenne/Geistwall lag eine weitere bischöfliche Mühle. Sie gehörte zum Wirtschaftsbetrieb des Lübbecker Domhofes. Der Hof lag der Kirche gegenüber beiderseits der heutigen Pfarrstraße. Auch hier galt der Mahlzwang für die hofhörigen Bauern. Der Domhof, auch Stiftshaus genannt, gehörte zu den zwölf  Meierhöfen der bischöflichen Tafel. Jeder dieser Höfe hatte den bischöflichen Hof in Minden einen Monat lang mit Lebens- und Futtermitteln zu versorgen. Der Lübbecker Hof muß beeindruckend gewesen sein und wird von dem Domherrn Heinrich Tribbe um 1460 als ein massives Haus beschrieben, das mit dem Komfort der Zeit ausgestattet war.

Die Königsmühle am Haberland, von der heute nur noch das Hauptgebäude steht, war um 1700 als Reineberger Amtsmühle bekannt. Ursprünglich war es eine der bischöflichen Mühlen, die nach dem Westfälischen Frieden mit dem Fürstbistum Minden an Brandenburg-Preußen gefallen waren. Die Amtssprache machte aus der bischöflichen die königliche Mühle. Der Reineberger Amtmann setzte den jeweiligen Pächter ein. Häufig blieb das Amt in der Familie der Pächter. Bei Amtsübergabe wurde der neue Müller ermahnt, die ihm aufgetragenen Pflichten und Aufgaben nach den Vorgaben des „Reineberger Mühlenreglements“  getreulich zu erfüllen. Klagen über säumige und faule Müller waren nicht ungewöhnlich. Ein solcher Fall  ist aus dem Jahre 1766 für die heutige Königsmühle am Haberland überliefert.

Am 9. August 1766 erschienen die Bäcker- und Innungsmeister Wellinghoff sen., Bäcker Wellinghoff jun., Bäcker Kottkamp sowie die Schützenmeister Marmelstein und Reinhard als Vertreter der Bürgerschaft im Lübbecker Rathaus, um sich bei Bürgermeister Sagittarius mit einer Klage Gehör zu verschaffen. Ohne Umschweife kamen sie zur Sache. Sie verlangten, daß sich der Bürgermeister beim Reineberger Amtmann dafür einsetzen möge, den derzeitigen Mühlenpächter Meyer aus dem Pachtverhältnis zu entlassen. Die Liste der Vorwürfe war lang.

Mühle an der RoncevaAm Tag zuvor war Bäcker Kottkamp mit einem Scheffel Weizen in der Mühle gewesen und hatte dem Müllergesellen aufgetragen, den Weizen recht gut zu mahlen. Als sich der Geselle an die Arbeit machen wollte, polterte der Müller persönlich zur Tür herein und machte dem Bäcker und dem Gesellen klar, daß nur er, Müller Meyer, ein so wichtiges Geschäft, wie das Mahlen von Weizen, erledigen könne. Um seinem Anspruch Nachdruck zu verleihen, mußte der Geselle Schläge einstecken, bevor er davongejagt wurde. Das Ergebnis? Verdorbener Weizen und unbrauchbares Mehl.

Auch die Wellinghoffs brachten ähnliche Klagen über schlecht gemahlenes Getreide vor. Wie Wellinghoff  jun. in einem Fall nachgeprüft hatte, war dem Getreide Kleie untergemischt worden. Der Kunde war also betrogen worden. Die Bittsteller berichteten dem Bürgermeister von der Klage des Schusters Niemann. Diesem war das Mehl nicht ordentlich ausgewogen worden. Als der Schuster dem Müller Vorhaltungen machte, griff dieser in die Kiste mit Futterschrot, um das Gewicht auszugleichen. Im übrigen wurde allgemein die Faulheit des Müllers und die Rattenplage in der Mühle beklagt.

Die weitere Verfolgung des Falles wurde dem Schützenmeister Reinhard übertragen. Er wurde im Reineberger Amtshaus im Niedringhauser Feld vorstellig. Dort traf er auf zwei Beamte der Kriegs- und Domänenkammer Minden, denen er sein Anliegen vortrug. Um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen, hatte Reinhard eine Kostprobe mitgebracht, verdorbenes Mehl aus der Reineberger Amtsmühle an der Papenstraße. Die Kriegs- und Domänenkammer wird dafür gesorgt haben, daß Meyer seines Amtes enthoben wurde. Sein Name erscheint nicht mehr in den nachfolgenden Tabellen zum Mühlenwesen der Stadt.

Das Jahr 1766 endete mit einer Katastrophe. In der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember entwickelte sich aus einem lokalen Brandherd in der Stadt unerwartet ein Großbrand, der über einhundert Häuser in Schutt und Asche legte. Die Königsmühle vor der Stadt, vom Brandort entfernt, war ein sicherer Platz, von dem aus der Brand im Widerschein der Kirche zu beobachten war. Die Mühle selbst blieb vom Feuer verschont.

Königsmühle TorbalkenUm 1800 wird ein Müller Ebeler genannt, der Pächter beider Amtsmühlen war, der an der Papenstraße und der an der Feuerrenne. Die Verwaltungsreformen nach französischem Vorbild im Königreich Westfalen bedeuteten das Ende der Amtsmühlen und des Mahlzwanges. Auf dem Torbalken der Königsmühle sind heute die Namen der privaten Eigentümer zu lesen, H(einrich) W(ilhelm) Riemann und S(ophie) Husemans. Sie waren die Erbauer des neuen Hauptgebäudes, eines Eichenfachwerkhauses mit Krüppelwalmdach, das Wohnteil, Viehstall und Mühlenteil unter einem Dach vereinte. Außerdem gab es eine Scheune mit Futterkammer, Stallungen und vorgelagerter Tenne sowie einen Speicher, der auch als Backhaus diente. Zum Besitz gehörten ein Garten und ein Wiesenteil mit einer Wäschebleiche.

Im Jahre 1843 war Anton Krüger Mühlenbesitzer. Seine Frau Marie hatte einem Haushalt mit zwei Söhnen und vier Töchtern, zwei Knechten und einer Magd vorzustehen. Eine Aufgabe, die viel Umsicht und Tatkraft erforderte. Außerdem wohnten in dem Haus der Bleicher Friedrich Greimann, seine Frau Luise nebst Sohn und Tochter. Es war also eng in der Mühle geworden.

Zur Bleiche gehörte ein Bleicherhäuschen aus einfachem Fachwerk. Bürger, die ihre frisch gewaschene Weißwäsche zum Trocknen und Bleichen brachten, erwarteten neben den üblichen Tätigkeit wie Sprengen und Wenden der Wäsche auch Sicherheit. Wäschediebstahl war nicht ungewöhnlich. Nachtwachen gehörten zu den Aufgaben eines Bleichers. 

Bleiche an der Königsmühle um 1910Abb.: Bleiche an der Königsmühle um 1910. Im Vordergrund ein Strohlager der Papierfabrik. Stroh war Rohmaterial für die Produktion von Pappe.

Warum Krüger die Mühle ein oder zwei Jahre später aufgab, ist nicht bekannt. Es hatte Mißernten gegeben. Das Jahr 1846 wurde zur Katastrophe. Das Getreide war in der Sommerhitze auf den Feldern vertrocknet. Die Brotpreise schnellten in die Höhe. Den Müllern ging die Arbeit aus. In Lübbecke und anderen Städten wurden Armenküchen eingerichtet, um die ärgste Not zu lindern.

In der Königsmühle wechselte 1846 der Besitzer. Caspar Mesker war mit seiner Frau Ilsabein, zwei Söhnen und drei Töchtern sowie einem Knecht eingezogen. Der Bleicher Ludwig Wind zog mit Frau Luise und Tochter ein. Hinzu gesellte sich eine verarmte Spinnerin, die Witwe Charlotte Hellweg.

Die Police der Westfälischen Provinzial-Feuer-Sozietät vom 13. November 1876 nennt den Mühlenpächter und Fuhrmann Putze. Das Haupthaus, ein Fachwerktraufenhaus mit Deele, war teilunterkellert und bestand lt. Police aus Steinfachwerk. Die Gefache waren also ausgemauert. Daß der Arbeitsraum des Müllers und seines Gesellen massiv aufgeführt war, war eine Selbstverständlichkeit und deshalb nicht erwähnenswert.  Als Eigentümer wird der „Oeconom W. Osthoff“ genannt. Osthoff  besaß den ehemaligen Burgmannshof an der Bergertorstraße, der 1852 ein neues Haupthaus erhalten hatte. Wie es die Bezeichnung sagt, war Osthoff als Landwirt tätig.

Osthoffs Nachbar war seit 1872 der Fabrikant Kuhlmann, der das Betriebsgelände der früheren Tuchfabrik Bacmeister übernommen hatte und hier eine „Strohpapierfabrik“ errichtete. Wie schon seine Vorgänger Bacmeister & Nachfolger hatte Kuhlmann mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Gewerbeinspektion Minden im Verein mit der polizeilichen Gewerbeaufsicht der Stadt Lübbecke wurde mehrmals vorstellig, um die gröbsten Gefahrenquellen in der Kuhlmannschen Papierfabrik abzustellen. Am 9. Oktober 1899 kam es in dem maroden Fabrikgebäude zu einem tragischen Unfall. Der Arbeiter Schierbaum brach in der oberen Etage durch den brüchigen Fußboden und verletzte sich tödlich.

Kuhlmann ging schließlich bankrott. Bremer Kaufleute kauften den Betrieb auf und gründeten am 11. Juli 1903 die Wellpappen- und Flaschenhülsen-Werke, aus denen die Bremer Papier- und Wellpappen-Fabrik hervorging.

Die vorgeschriebene Kläranlage der Fabrik berührte schon seit Kuhlmanns Tagen Osthoffs Mühlengrundstück. Darüber kam es zu Auseinandersetzungen mit Osthoff. Schließlich einigte man sich mit ihm. Am 26. September 1911 kaufte die Papierfabrik, wie sie landläufig genannt wurde, das Mühlengelände samt Bleiche, um es dem Firmengelände einzuverleiben. Das Hauptgebäude wurde einem der Angestellten der Fabrik als Wohnung zugewiesen. 1954 wohnte hier die Familie Putze.

Königsmühle Haupthaus, 1987Am 8. April 1987 wurden die Mühle und ein Nebengebäude unter Denkmalschutz gestellt, was den Widerspruch des Eigners, der Europa Carton AG, hervorrief. Es kam zu einem Gerichtsverfahren, in dem die Europa Carton unterlag.

Lübbecke, 29. Januar 2010

Autor: Stadtarchivar Helmut Hüffmann, Illustration vom Verfasser, Fotos: Stadtarchiv Lübbecke 

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