Stadt Lübbecke

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Der dänische Überfall auf Lübbecke im Jahre 1627

Bis zum Jahre 1627 hatte die Stadt Lübbecke die Wirren des Dreißigjährigen Krieges unter dem Schutz einer kaiserlichen Besatzung äußerlich unbeschadet überstanden. Was drückte, waren die Besatzungskosten.

Am Drei-Königs-Abend, am 5. Januar 1626, drohte erstmals unmittelbare Gefahr in Gestalt eines dänischen Trupps unter Führung des gefürchteten Obristen Limbach. Dieser verlangte unverhohlen die Öffnung der Stadttore und ungehinderten Zugang zur Stadt. Rat, Bürger und Burgmannschaft weigerten sich und besetzten Mauern, Türme und Zwinger. Die Dänen wollten den Zugang erzwingen, beschossen die Stadt und legten am Wester- und Ostertor Feuer – ohne Erfolg. Unverrichteter Dinge mußten sie sich zurückziehen. Sicherheitshalber nahmen die Lübbecker Verhandlungen mit den Dänen auf, um einen Schutzbrief auszuhandeln. Nachdem dieser bezahlt war, wähnten sich die Lübbecker in Sicherheit. Es sollte sich bald herausstellen, daß der Schutzbrief nicht das Papier wert war, auf dem das Abkommen niedergeschrieben war.

Das Unglück nahte am Dienstag nach Pfingsten 1627 wieder in Gestalt des Obristen Limbach und seines Gefolges. Auf dem Weg von Nienburg, wo das dänische Hauptquartier untergebracht war, nach Lübbecke im Fürstbistum Minden trafen die Dänen auf ein kleines Corps der Kaiserlichen, das am Haler Kamp vor Lübbecke eine Verschnaufpause eingelegt hatte. Es kam zu einem Gefecht zwischen den Dänen und den Kaiserlichen. Letztere wurden von den Dänen umzingelt, der Korporal erschossen und der Rest gefangengenommen.

Siegesgewiß und rachsüchtig begehrten die Dänen vor dem Lübbecker Westertor Einlaß in die Stadt. Die Lübbecker versuchten, auf dem Verhandlungswege das kommende Unglück abzuwenden. Als Limbach merkte, daß man ihm die Stadttore nicht öffnen wollte, ließ er vor dem Niedertor ein Geschütz auffahren. Die Torflügel wurden beschossen und mit Äxten und Hellebarden so lange bearbeitet, bis das Tor geöffnet und der Weg für die Soldateska frei war. Es war Mittagszeit, als die Dänen in die Stadt einbrachen, um sich auf das schändlichste zu bereichern. Sieben lange Stunden waren Adels- und Kapitelhöfe, Bürgerhäuser, Rathaus und Kirche zur Plünderung freigegeben.

Limbach und seine Offiziere ließen sich auf dem Tribbenhof am Marktplatz von Amelung Tribbe, Domherr zu Minden und Herr auf Figenburg unterm Limberg in der Grafschaft Ravensberg, "tractiren" mit allem Guten, was Küche und Keller zu bieten hatten. Vom Tribbenhof aus begab sich die Gesellschaft zum Burgmannshof des Bürgermeisters Benedict Korff am Gänsemarkt. Hier verlangte Limbach unumwunden ein Lösegeld von  8.000 Reichstalern, damals ein Betrag von schwindelerregender Höhe. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, bestand er auf Geiselnahme. Falls die Lübbecker seinen Forderungen nicht nachkommen sollten, so die Drohung des Obristen, müsse die Stadt damit rechnen entweder mit einer 600 Mann starken Besatzung belegt oder in Brand gesetzt zu werden.

Der Bürgermeister schickte Boten aus, um Ratsherren, soweit sie auffindbar waren, in seinen Hof zu bestellen. Dort einigte man sich darauf, Geiseln aus Adel und Bürgertum zu stellen, nämlich Johann von Grappendorf aus dem Stand der Adeligen sowie die Kämmerer Heinrich Alemann und Benedict Schmidt aus dem Bürgertum. Bürgermeister Korff und die anwesenden Ratsherren versprachen dem Obristen in die Hand, das Lösegeld pünktlich zu zahlen. Nach dem Versprechen überreichte Limbach dem Bürgermeister die Schlüssel zu den Stadttoren als symbolische Geste dafür, daß die Hoheit über die Stadt wieder in die Hände des Rates gelegt war. Mit den abziehenden Dänen wurden die drei Geiseln in eine ungewisse Zukunft in die Stadt und Festung Nienburg entführt.

 

Übergabe des Lösegeldes und Befreiung der Geiseln 

Über die Finanzierung des Lösegeldes brach ein heftiger Streit aus. Rat und Bürgerschaft machten sich den Standpunkt zu eigen, daß die Stadt Lübbecke allein nicht haftbar gemacht werden könne, sondern daß auch die Landstände des Fürstbistums Minden heranzuziehen seien. Ein Standpunkt, der, wie zu erwarten, bei den Landständen keine Zustimmung fand. Das Domkapitel lehnte das Ansinnen mit der Begründung ab, daraus könne ein Präjudiz abgeleitet werden. Im übrigen habe der Landtag über die Angelegenheit zu befinden. Der wiederum sah sich nicht zuständig.

Die Geiseln wandten sich von Nienburg aus am 25. Juni 1627 in einem Schreiben an die mindische Regierung in Petershagen. Versuche der Regierung und des Domkapitels Minden, eine Freilassung zu moderaten Bedingungen zu erreichen, schlugen fehl. Christoph von Grappendorf, Vater des Johann, bemühte sich unterdessen, Unterhändler zu gewinnen, die unabhängig von Regierung und kaiserlicher Besatzung, Verhandlungen mit den Dänen aufnehmen sollten. 

In Lübbecke waren die Bürgerschaft und vor allem die Familien und Verwandten der Entführten aufs äußerste besorgt, denn die Kaiserlichen hatten mit der Belagerung Nienburgs begonnen. Sollte die Stadt vor der Entlassung der Geiseln von den Kaiserlichen eingenommen werden, so die Befürchtung, dann war mit der Erschießung der Geiseln zu rechnen. Außerdem war den Lübbeckern zu Ohren gekommen, daß die Pest in Nienburg ihre ersten Opfer gefunden hatte und die Geiseln in einem Haus untergebracht waren, das von den Bewohnern wegen der Pestgefahr verlassen worden war. Bürgermeister Korff und Christoph von Grappendorf baten die kaiserliche Militärverwaltung in Minden für die Unterhändler Geleitbriefe auszustellen, damit diese die kaiserlichen Stellungen vor Nienburg gefahrlos passieren konnten.

Die Unterhändler Wilhelm Steding zu Holzhausen am Limberg und Albert Pladise zu Huntemühlen nahmen am 13. Juli 1627 Verhandlungen mit den Dänen in Nienburg auf. Sie erreichten, daß das Lösegeld auf 6.000 Reichstaler herabgesetzt wurde. Zwei Zahlungstermine waren vorgesehen. Die Zahlung der ersten Hälfte wurde am 24. Juli 1627 in Nienburg von Limbach quittiert. Der zweite Termin, der spätestens am 3. August fällig gewesen wäre, konnte nicht eingehalten werden, da das belagerte Nienburg von den Kaiserlichen eingenommen worden war. Limbach selbst war kurz nach dem Fall Nienburgs gestorben. Die Geiseln waren noch vor dem Fall Nienburgs  von den Dänen freigelassen worden. Die zweite Rate des Lösegeldes wurde im Dezember des Jahres 1627 in Bremen übergeben. Da die Dänen militärisch in die Defensive gedrängt worden waren, war die dänische Seite in einer schlechten Verhandlungsposition. Sie mußte es hinnehmen, daß die zweite Rate herabgesetzt wurde.

Damit war der Fall nicht ausgestanden. Die Familie von Grappendorf hatte sich hoch verschuldet und die Stadtkasse war pleite. Die Folge waren endlose Streitereien zwischen der Stadtverwaltung Lübbecke und der Familie von Grappendorf darüber, wer für den Schuldenberg aufzukommen habe. Der Fall endete vor dem Reichskammergericht, ohne daß ein abschließendes Urteil gesprochen wurde. Auf königlichen Befehl wurde das Verfahren dem Reichskammergericht entzogen. Letztendlich entschieden preußische Regierungsstellen über den Fall. Fünf Generationen der Familie von Grappendorf, eine Reihe Lübbecker Bürgermeister sowie Rechtsanwälte und Gerichtspersonen waren mit dem Fall beschäftigt gewesen, bis er 1748 zu den Akten gelegt werden konnte. Die Stadt Lübbecke sah sich nicht in der Lage, die Restschulden aus den "Limbachschen Forderungen" termingerecht zu begleichen. Schließlich trat sie Ansprüche an städtischen Ländereien ab, so daß der Fall endgültig zu den Akten gelegt werden konnte.

Hauptmann Wilhelm von Grappendorf, der als letzter die Ansprüche seiner Familie geltend gemacht hatte, zog sich nach seiner Militärzeit auf sein Hofgut in Lübbecke zurück, wo er am 5. Mai 1782 verstarb. Die finanziellen Verhältnisse der Grappendorfs waren zu dieser Zeit zerrüttet. Im Jahre 1786 wurde der Konkurs über das Grappendorfsche Vermögen eröffnet. Ernst Ludwig von Korff auf Obernfelde ersteigerte am 18. Januar 1787 das Gut Grappenstein vor Lübbecke und im folgenden Monat am 7. Februar das Grappendorfsche Hofgut in Lübbecke.

 

Vollständige Darstellung des Verfassers in: 89. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, Jahrgang 2004.

Lübbecke, 2. Januar 2006


Nachtrag: Der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Lübbecke hat am 03.03.2005 beschlossen, für eine Straße im neuen Baugebiet Südlich Gasstraße/Östlich Lortzingstraße den Namen "Benedikt-Schmidt-Straße" zu vergeben.

Autor: Stadtarchivar Helmut Hüffmann 

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