Stadt Lübbecke

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Was war im Juli 1952 in Lübbecke los?

Am 3. Juli trafen zu nächtlicher Stunde zahlreiche Eltern vor der Tankstelle „Zum Düsenjäger“ an der Mindener Straße ein. Sie wollten hier ihre Sprößlinge, Schüler der Jahn- Realschule, nach einem Aufenthalt auf Amrum in Empfang nehmen. Die Ankunft war für 23 Uhr angesagt. Vorläufig tat sich jedoch nichts. Eine Reifenpanne verzögerte die Ankunft. Als über ein Telefonat bekannt wurde, daß auf der Strecke dichter Nebel herrsche, machte sich Unruhe unter den Eltern breit. Endlich gegen 3 Uhr morgens rollten die Busse an. Sittsam nach Geschlechtern getrennt, saßen in den ersten beiden Wagen die Mädchen, dann folgte der Wagen der Jungen. Schüler und Lehrer stiegen braungebrannt und übermüdet aus den Bussen. Schließlich war man am Vortage um 4 Uhr morgens aus den Betten geholt worden. Trotz der Strapazen waren sich alle einig, daß dieses Unternehmen wiederholt werden sollte. Wenn die pädagogische Eingebung von Rektor Karl Beinke und seinem Kollegium richtig gewesen war, dann hatte der frische Seewind die Geister wieder auf Trab gebracht und den Unterricht auf der Insel zu einem Vergnügen gemacht. 

Schützenzug in der Niedernstraße 1952
© Stadtarchiv Lübbecke 
Langeweile kam für die Lübbecker in den nächsten Tagen nicht auf. Das Schützenfest war angesagt und ganz Lübbecke war auf den Beinen. Ein dreitägiges Festprogramm mußte in der Zeit vom 5. bis zum 7. Juli absolviert werden. Am Sonnabend  fanden sich zu abendlicher Stunde nach einem Marsch durch die geschmückten Straßen der Stadt Schützen und Bürgerschaft auf dem Schützenplatz ein, wo zum ersten Mal nach Kriegsende wieder Böller abgeschossen wurden. Im Schützenhaus ergriff Schützenmajor Dr. Watermann das Wort und wies darauf hin, daß das Lübbecker Schützenfest ein Volksfest und nicht auf bestimmte Kreise beschränkt sei. Das war nicht neu. Ein Volksfest war das Schützenfest seit Jahrhunderten immer gewesen. Es waren jedoch die ersten Zeichen zu erkennen, daß die gesellschaftlichen Veränderungen nicht spurlos an den traditionellen städtischen Schützenfesten vorbeigehen würden. Das öffentliche Interesse sollte langsam, aber spürbar nachlassen. Als am Sonntag, dem 6. Juli 1952, Antreten auf dem Westerwall angesagt war, hatte sich bei prächtigem Sommerwetter eine dichtgedrängte schaulustige Menschenmenge eingefunden. An diesem Tage gab es nach dem Abholen der Schützenkönige, Dr. Wilhelm Blase und Werner Klute, eine kleine Sensation zu bestaunen. Die Frauen der Schützenkönige, Anna Klute und Hertha Blase, wurden in einer zweispännigen Kalesche fahrend im Festzug gesichtet. So etwas hatte es bisher nicht gegeben.

Stadtdirektor Dr. Becker, Schützenfest 1960
© Stadtarchiv Lübbecke 
Der Montag wurde mit Spannung erwartet. Schon früh hatten sich Schaulustige auf dem Marktplatz eingefunden. Bald herrschte dichtes Gedränge. In sämtlichen Lübbecker Schulen hatte es für die ersten Stunden unterrichtsfrei gegeben. Stadtdirektor Dr. Becker hielt die Festansprache und erinnerte an die Ursprünge des Lübbecker Schützenwesens. Der Vortrag zeigte, daß traditionelle Zusammenhänge gar nicht mehr bewußt waren. Es waren Ausführungen, die der Stadtdirektor aus irgendeinem Buch aufgelesen hatte und die vorne und hinten nicht stimmten. Das störte hier aber niemanden. Wie sollte es auch?

Den ersten Schuß auf die neuen Scheiben gab Bürgermeister Welschof im Namen des Bundespräsidenten Heuß ab. Für die geraden Hausnummern errang Fahrer Werner Hucke und für die ungeraden Malermeister Friedrich Bokämper die Königswürde. Damit war der Weg frei für die Festivitäten am letzten Tag des Schützenfestes.

Hochsommerliches Wetter hatte das Schützenfest begleitet. Am Wochenende waren zahlreiche Radfahrer unterwegs, die nur ein Ziel kannten, das Lübbecker Freibad am Mittellandkanal auf der Nordseite des Hafenbeckens. Bademeister Ober-Entgelmeier führte hier die Aufsicht. Sein Domizil war eine abgängige Bretterbude mit vorsintflutlichen Umkleidekabinen. Die Lübbecker wußten, daß es hier mit den Badefreuden bald vorbei sein würde. Die Pläne für die Badeanstalt an der Obernfelder Allee lagen fertig in der Schublade, und alle warteten auf den Baubeginn. Eins war für die Zukunft sicher, so großzügig wie am Kanal würde es nicht mehr zugehen, denn ein abgesperrtes Gelände gab es am Kanal nicht, und wem das kleine Sprungbrett nicht hoch genug war, der sprang von den Kanalbrücken ins kühle Naß. Und wem das Brückengeländer nicht hoch genug war, für den gab es eine Etage höher den Brückenbogen. Auch die Zeit einer kostenlosen Mitfahrt auf einem der vorbeiziehenden Schleppkähne war für immer dahin. Am 9. Juli beschloß der Lübbecker Stadtrat, die Arbeiten für die Badeanstalt an der Obernfelder Allee an die Firmen Bünemann, Schröder und Frewert zu vergeben. Der Höchstpreis wurde auf 96.000 DM festgesetzt. Eile war geboten, denn es gab eine Konkurrenz. Am 5. Juli war das „Waldfreibad Espelkamp-Mittwald“ eröffnet worden.  

Am Wochenende, am 19./ 20. Juli, war Pr. Ströhen der Anziehungspunkt im Kreis Lübbecke. Auf dem Jahn-Sportplatz an der Aue war das Kreis-Turn- und Sportfest angesagt. Hier hieß Bürgermeister Bollhorst die Festteilnehmer in dem Heidedorf willkommen. In einem sonntäglichen Umzug präsentierten sich die Teilnehmer der Öffentlichkeit. Mit von der Partie waren der Ströher Schützenverein, der örtliche Reiterverein, der Radsportverein „Adler“ und die Freiwillige Feuerwehr. Es gab ein spannendes Faustballendspiel zwischen dem Polizeisportverein Lübbecke und dem TuS Gehlenbeck.  Mit Reifen-, Keulen- und Ballgymnastik waren die Turnerinnen der Vereine aus Blasheim, Lübbecke und Pr. Ströhen vertreten. Es gab 200 Siegerinnen und Sieger. Die Siegerehrung oblag Kreisoberturnwart Rudolf Cornelius aus Lübbecke. Als beste Turnerin wurde Lotti Bunk vom TuS Lübbecke und als bester Turner Erich Hafer vom Verein „Grüne Eiche“ Stockhausen geehrt. Es war ein kleiner lokaler Erfolg der Sportvereine. Die internationale Sportwelt blickte nach Helsinki, wo die Olympischen Spiele stattfanden. In aller Munde war damals die tschechische Lokomotive, das Laufwunder Emil Zatopek.

Und was war zum Monatsende angesagt? In der Wochenendausgabe der Tagespresse vom 26. Juli priesen die Geschäfte „Billigkeit und Qualität“ zum Sommerschlußverkauf an. Überwiegend vertreten waren die Geschäfte an der Langen Straße in Lübbecke. Das Textilgeschäft Vollmer pries große Posten von Sommerware an, die rücksichtslos im Preis herabgesetzt war. Ähnlich argumentierten die Textilgeschäfte Eitner, Helmke und v. Stiften. Qualitätsschuhe zu verblüffend niedrigen Preisen versprach Salamander-Becker am Markt, und bei Schuh-Jekel hieß es: „Es geht durch Mark und ... Pfennig im Sommer-Schluß-Verkauf“. Am Montag pünktlich um 8 Uhr morgens setzte der Ansturm ein. Das Verkaufspersonal hatte alle Hände voll zu tun, und die Kassen klingelten zur Zufriedenheit der Geschäftsleute. Mancher Kunde fragte sich jedoch später, ob er in dem Verkaufsrummel wirklich Qualität zu niedrigen Preisen eingekauft hatte.

Zur Unterhaltung boten die Kinoprogramme allen Generationen Filme an, die garantiert jugendfrei waren. Im Oli-Theater in Pr. Oldendorf stand in der ersten Juliwoche „Grün ist die Heide“ auf dem Programm. Im Lichtspieltheater Rahden hing „Der Himmel voller Geigen“ mit Gesangsbeiträgen von Rudi Schuricke, dem Roy Black der damaligen Zeit. „Verklungenes Wien“ ließ in Lübbecke die Herzen dahinschmelzen und im Lichtspieltheater Oppendorf gab es ein vom christlichen Ethos getragenes Drama, betitelt „Die Martinsklause“. Auch an den Hüllhorstern ging die Kinokultur nicht spurlos vorüber. Es gab die Westfalia Lichtspiele. Ihre Streifen liefen abwechselnd im Gasthof Deutsches Haus des Hoteliers Ludwig Eggstein in Hüllhorst und in Schnathorst im Gasthof Kirchhoff. Hier lief zu Monatsanfang das Rührstück „Ein Herz schlägt für Dich“.

Lübbecke, 14. Mai 2007

Autor: Stadtarchivar Helmut Hüffmann 

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