Ältere Bürgerinnen und Bürger werden sich noch an einen heruntergekommenen Fachwerkbau auf der Ostseite des Lübbecker Marktplatzes erinnern, der in einen nördlichen Scheunen- und einen südlichen Wohnteil aufgeteilt war. Das Haus war seit Mitte des 19. Jahrhunderts in städtischem Besitz. Auf der kleinen Deele hatte die Stadtverwaltung Gerätschaften des Bauamtes untergebracht. Das Gebäude war eine Art Bauhof im Kleinformat. Der Fachwerkbau wurde 1966 im Zuge der Marktplatzsanierung abgebrochen, einer Sanierung, die das organisch gewachsene Stadtbild erheblich gestört hat. Ein den Lübbeckern ans Herz gewachsener Platz wurde umgemodelt mit Betonklötzen der Postmoderne. Als ein spätes Symbol der entweder zerstörten oder in ihrer Bausubstanz gestörten Adelshöfe hatte der Bau auf der Ostseite des Marktplatzes, der einmal Teil eines Lübbecker Burgmannshofes gewesen war, allen Zeitstürmen bis dahin getrotzt.
Der Hofname geht auf seine früheren Besitzer, die ritterbürtige Familie v. Sloen genannt Tribbe zurück, zu deren Besitz auch die Fiegenburg im ravensbergischen Amt Limberg gehörte. Reste dieses Adelssitzes sind heute noch vorhanden. Die Fiegenburg lag etwas entfernt von Crollage am Fuße des Limberges. Daran erinnert in Börninghausen der „Fiegenburgweg“, ein Abzweig der Eggetaler Straße. Die Tribbes waren aufgrund ihres Standes „Ratsverwandte“ in Lübbecke, d.h. sie gehörten zu den ratsfähigen Familien und waren als Ratsherren und Bürgermeister für die Geschicke der Stadt mitverantwortlich. So sind im Stadtarchiv Lübbecke für das Jahr 1525 die Ratsherren Mattheus und Johann Tribbe verzeichnet. Um sich das Bild des Lübbecker Marktes vorzustellen, muß die heutige Ansicht korrigiert werden. Der Handel fand auf einer Marktstraße zwischen Kirche und Rathaus statt, nach Westen und Osten begrenzt von den Außenmauern zweier Burgmannshöfe. Auf der westlichen Seite lag der Hof der Sloens genannt Gehle, auf der östlichen Seite der Hof der Sloens genannt Tribbe.
Als die Lübbecker Schule am Kirchhof um 1800 einzustürzen drohte, war guter Rat teuer. Auf jeden Fall konnte der Schulunterricht in dem maroden Gebäude nicht fortgesetzt werden. Es bestand die Möglichkeit, auf dem Hofgelände des Tribbenhofes ein mehrklassiges Schulgebäude zu errichten. Alle Bemühungen scheiterten vorerst am Widerstand des Kämmerers. Die städtische Finanzlage war mehr als dünn, ein in Lübbecke seit Jahrhunderten von Stadtvätern und Bürgern immer wieder beklagter Zustand.
Die Besitzer des Tribbenhofes wechselten im Laufe der Zeit. Im Jahre 1788 war der Propst des Stiftes Levern, der Staatsminister Julius August v.d. Horst, Hofbesitzer. Er schenkte der bedürftigen Stadt Lübbecke einen Teil des Hofgeländes zum Zweck eines Schulneubaues. Der restliche Teil des Hofes wurde dem Stift Levern auf dem Tauschweg einverleibt und im Zuge der Säkularisierung im Dezember 1810 der staatlichen Domänenverwaltung zugeführt, die daraus später Kapital schlug.
Mit dem Schulbau sollte es jedoch noch Jahre dauern. Die Stadtverwaltung hatte für den Schulunterricht Räumlichkeiten im Rathaus zur Verfügung gestellt. Außerdem waren weitere Räume angemietet worden, u.a. in einer Tabakfabrik. Im Jahre 1829 war der Schulbau auf dem Hofgelände des Tribbenhofes fertiggestellt. Am 27. Mai d.J. war die Einweihung. Das Rathaus war festlich mit Blumen geschmückt. Im Rathaussaal hatten sich Bürgermeister, Pfarrer, Gemeinderat und Armenvorstand eingefunden, um die Schuljugend mit ihren Lehrern zu empfangen. Den Festvortrag hielt Schulrektor Wex. Danach begab sich die Versammlung zum nahegelegenen Schulhaus, wo Pastor Möller vor dem Eintritt eine Rede hielt. Nach dem Choral „Nun danket alle Gott“ wurden die mit Blumenkränzen geschmückten Klassenzimmer bezogen. Am Nachmittag gab es ein Schulfest auf dem Gemeindeplatz auf dem Weingarten.
Am 24. Juni 1863 ging der restliche Teil des Tribbenhofes an die Stadt als Eigentümerin über. Die Ablösungssumme, berechnet von der Regierung Minden, betrug 551 Taler 26 Silbergroschen und 8 Pfennige. Die Stadt verschaffte sich eine kleine Einnahmequelle dadurch, daß sie die Wohnräume in dem verbliebenen Fachwerkhaus des Tribbenhofes vermietete, vorzugsweise an städtische Bedienstete. 1864 wohnte hier der städtische Ausrufer Heinrich Gärtner mit Familie. Weitere Mieter waren die Familie des Stuhlmachers Christian Redeker, der Zigarrenarbeiter Buskühl, der Tischler Nolte und der Weber Segott, insgesamt neun Personen. Reparaturen am Haus wurden von der Stadt nur nachlässig durchgeführt. Entsprechend verschlechterte sich der Zustand des Hauses.
Am 30. Mai 1903 wurde ein Mietvertrag zwischen der Stadtverwaltung und dem Zigarrenarbeiter Christian Rosenbohm abgeschlossen. Der vor dem Haus gelegene Brunnen des ehemaligen Tribbenhofes durfte von der Bürgerschule am Markt mitbenutzt werden. In dieser der Kirche gegenüber gelegenen Schule war der Unterricht im August 1887 aufgenommen worden. Die alte Schule auf dem Tribbenhof hatte ausgedient. Bei der Schule am Kirchplatz handelt es sich um den vielen Lübbeckern noch bekannten Backsteinbau im neugotischen Stil, der im Februar 1975 einer heruntergekommenen Bauruine glich und noch im selben Jahr abgebrochen wurde. Am 7. Februar 1911 wurde der Mietvertrag zwischen Rosenbohm und der Stadt erneuert. In dem Vertrag heißt es u.a.: „Der Mieter muss der Stadt die Mitbenutzung der vor dem Hause stehenden Pumpe gestatten; er hat dafür zu sorgen, dass letztere bei Frostwetter geschützt wird.“ Die Mitbenutzung stand damit auch der Bürgerschule als städtischer Institution zu.
Rosenbohm richtete in seiner Behausung eine Art „Herberge zur Heimat“ für Tippelbrüder ein, was die Stadtväter auf den Plan rief, denn für eine derartige Beherbergung besaß Mieter Rosenbohm keine behördliche Konzession. Darauf nimmt der Mietvertrag von 1911 Bezug mit den Worten: „Dem Mieter ist es strengstens untersagt, fremde umherziehende Personen zum Zwecke der Beherbergung in das gemietete Haus aufzunehmen. Als Kostgänger darf er nur solche Personen aufnehmen, welche hier in Arbeit stehen und polizeilich gemeldet sind.“ Dieser Passus wurde von der Familie Rosenbohm großzügig ausgelegt und sollte später wiederholt zu Streitfällen führen.
Am 5. September 1916 wandte sich Frau Rosenbohm an den Magistrat und bat, wegen des Petroleummangels eine Gasleitung in das „Städtische Gebäude Markt No 16“ zu legen. Sie begründete ihre Bitte damit, daß sie erwerbstätig sei und nur in den Abendstunden ihrer Arbeit als Hausfrau nachgehen könne. Sie habe fünf Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren zu versorgen. Außerdem sei ihr Mann zum Kriegsdienst eingezogen.
Um einem möglichen Mißverständnis vorzubeugen, muß hier erklärend zugefügt werden, daß das Tribbenhaus nicht an das Stromnetz angeschlossen war. Frau Rosenbohm ging es darum, daß wenigstens ein Zimmer, vermutlich die Wohnküche, in den Abendstunden ausreichend beleuchtet war. Dabei dachte sie an eine Gaslampe. Diese Art der Beleuchtung war ihr vom Rathaus her bekannt. Hier wurde in den Abendstunden beim trüben Licht der Gasfunzeln gearbeitet. Sparsamkeitsgründe hatten den Magistrat veranlaßt, auf einen Anschluß an das seit 1912 betriebene Stromnetz zu verzichten. Frau Rosenbohm fand im Rathaus Gehör. Bürgermeister Pütz ordnete den Gasanschluß für das Haus „Am Markt 16“ an.
Im August 1917 gab es ein Malheur. das den Haushalt der Rosenbohms durcheinanderbrachte. Frau Rosenbohm erschien im Rathaus und erklärte: „Die Pumpe an dem Haus Markt 16 ist entzwei. Sie gibt kein Wasser. Es ist anscheinend der Eimer abgerissen durch den vielen Gebrauch der Pumpe durch die Schulkinder.“ Am 15. November 1917 wurde Frau Rosenbohm wieder im Rathaus vorstellig. Sie beklagte sich darüber, daß im Haus eine Kellertür fehle. Die Tür müsse unverzüglich ersetzt werden, weil sonst die eingekellerten Kartoffel erfrieren würden. Es müsse doch möglich sein, so erklärte sie, aus alten Schulbänken eine Kellertür zu zimmern. Bürgermeister Pütz beauftrage den Stadtarbeiter Riechmann, eine Kellertür aus Brettern, die im Schulkeller lagerten, zusammenzunageln. Offen blieb, wer die alte Kellertür im Tribbenhof aus Mangel an Brennholz verfeuert hatte.
Nach dem Auszug der Familie Rosenbohm folgten in den 30er Jahren kurzfristig weitere Mieter. Der Scheunenteil blieb städtischen Gerätschaften vorbehalten. Offiziell wurde dieser Teil als städtischer Magazinraum geführt. Im Zweiten Weltkrieg wurden Evakuierte aus zerbombten deutschen Großstädten eingewiesen. Ein Teil des Hauses war in der Zeit der Rationierung Benzinlager für die städtischen Fahrzeuge. Es waren kriegsbedingte Verhältnisse, wie sie heute in ihrer Gefährlichkeit kaum mehr vorstellbar sind. Bis in die frühen 60er Jahre folgten weitere Mieter, unter ihnen die Familie Damkröger, die 1947 eingezogen war. Bei Mieterhöhungen kam es wiederholt zu Protesten der Mieter, die die mangelnde Pflege des Hauses beklagten. Für den Wohnraum gab es in den frühen 60er Jahren kaum noch Interessenten, die bereit gewesen wären, die nach dem Gesetz der Wohnungszwangsbewirtschaftung erlaubte Miete von 30,- DM zu bezahlen. Die Pläne von Ibrügger und Deilmann zur Marktplatzsanierung lagen in den Schubladen der Verwaltung. Es bestanden weder Bedarf noch Interesse, den Restbestand des früheren Adelssitzes von Grund auf zu sanieren. Nach den Beschlüssen des Stadtrates vom 26. September 1963 und 19. März 1964 war der Weg zur Marktplatzsanierung freigegeben zum Verdruß der Bürgerschaft, die den Plänen keine gute Seite abgewinnen konnte. Im Zuge der Marktplatzsanierung wurde der Tribbenhof 1966 abgebrochen.
Lübbecke, 21.06.2007