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Lübbecke hat die Wahl

Einmal alles neu: Bürgermeister, Rat und Kreistag

Lübbecke. 21.200 Wahlberechtigte im Stadtgebiet von Lübbecke sind in diesen Tagen aufgerufen, den neuen Rat, einen neuen Bürgermeister und ein neues Kreisparlament zu wählen.

Im Wettbewerb um die 38 Sitze im Lübbecker Rat buhlen insgesamt acht Parteien und Wählergruppen um die Gunst der Bürgerschaft, darunter sieben, die bereits vor fünf Jahren Kandidaten gestellt hatten (mit Stimmanteilen von 2020): Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD, 36,98 Prozent), Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU, 28,66), Bündnis 90/Die Grünen (Grüne, 17,19), Wählergemeinschaft Lübbecke e.V. (WL, 7,05), Freie Demokratische Partei (FDP, 4,35), Lübbecke Konkret e.V. (LK, 3,07) und Die Linke (2,7). Erstmals auf dem Zettel steht zudem die Alternative für Deutschland (AfD), die bei der Wahl vor fünf Jahren noch über einen Formfehler bei der Kandidatenaufstellung gestolpert war.

„B-Frage“ und Kreistagswahl

Das 39. Mitglied im Rat und zugleich dessen Vorsitzender ist der Bürgermeister. In der Entscheidung darüber, wer die Nachfolge des ausscheidenden Frank Haberbosch antreten und die Stadt als Verwaltungschef und Ratsvorsitzender in die nächste Legislatur führen soll, haben die Lübbeckerinnen und Lübbecker die Wahl zwischen zwei Kandidaten: Philipp Knappmeyer ist 41 Jahre alt, Erster Dezernent der Stadt Lübbecke, tritt für die SPD an und wird unterstützt von Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Lübbecke Konkret und Die Linke. Bent-Maria Grote ist 33, Polizeibeamter und Kandidat der CDU.

Bei der Wahl zum Kreistag stehen in den Wahlbezirken 24 (Lübbecke/Espelkamp/Pr. Oldendorf), 25 (Lübbecke 1) und 26 (Lübbecke 2) jeweils sieben Kandidaten zur Wahl, vorgeschlagen von (mit Stimmanteilen von 2020): CDU (33,76 Prozent), SPD (30,09), Grüne (20,23), FDP (3,88), AfD (4,66), Freie Wählergemeinschaft Mühlenkreis (FWG, 4,14) und Die Linke (2,67).

„Live-Ticker“ am Wahltag

Am Wahl(sonn)tag selbst wird es auf der städtischen Internetpräsenz luebbecke.de für interessierte Bürgerinnen und Bürger den ganzen Tag über aktuelle Informationen und Lesestoff zu den Kommunalwahlen geben, darunter Meldungen zur Wahlbeteiligung, Hintergrundinformationen und Zwischenstände der Auszählung.

Verfassungsgerichtshof stoppt neues Verfahren bei der Sitzzuteilung

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hatte am 4. Juli 2024 die Änderung des Kommunalwahlgesetzes (KWahlG) und weiterer wahlbezogener Vorschriften beschlossen, um bei der Berechnung der Sitzzuteilung zukünftig das „Quotenverfahren mit prozentualem Restausgleich“ anzuwenden. Die nach ihrem Urheber auch als „Rock-Verfahren“ bezeichnete Methode sollte das seit 2009 verwendete „Divisorverfahren mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers“ ablösen.

Hintergrund: Anders als bei Landtags- oder Bundestagswahlen gibt es für den Einzug in Kommunalparlamente keine „Einsitzhürde“, einen definierten Stimmenanteil, ab dem eine Partei oder Wählergruppierung auch ohne gewonnenes Direktmandat einen Sitz beanspruchen kann. Bei allen Berechnungsmethoden ergibt sich vielmehr eine sogenannte „Mittlere Hürde“ des Stimmenanteils, die in Abhängigkeit zur Anzahl der angetretenen Parteien und Wählergruppierungen, der zu vergebenen Sitze sowie der Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen steht.

Die „Mittlere Hürde“ bei Kommunalwahlen ist deutlich niedriger anzusiedeln als die Sperrklausel nach dem Bundeswahlgesetz, wonach eine Partei im gesamten Bundesgebiet fünf Prozent der Zweitstimmen erreichen muss, um an der Mandatsverteilung im Bundestag beteiligt zu werden. Diese „Fünfprozenthürde“ gilt (mit einigen Ausnahmen und Sonderregelungen) auch für alle deutschen Landesparlamente.

Die beschlossene Änderung des Kommunalwahlgesetzes hätte nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs durch ein überproportionales Zuschlagen von Rundungsgewinnen zugunsten der größeren Parteien zu einer höheren „faktischen Sperrwirkung“ für die Kleinen geführt. Am Beispiel Lübbeckes hätte das durchaus die Wahrscheinlichkeit erhöhen können, dass erstmals seit der Kommunalreform eine zur Ratswahl angetretene Partei am Ende leer ausgeht. Bei acht Parteien und 38 zu vergebenen Sitzen wären nach „Rock“ voraussichtlich etwas über 2,3 Prozent (gegenüber rund 1,3 Prozent nach „Sainte-Laguë/Schepers“) erforderlich gewesen.

In dieser Änderung sahen die NRW-Verfassungshüter eine sachlich nicht gerechtfertigte Verletzung der Rechte auf Chancengleichheit politischer Parteien und der Gleichheit der Wahl und entschieden am 20. Mai diesen Jahres in den unter anderem von den Landesverbänden von FDP, Linke, BSW und Piratenpartei angestrengten Organstreitverfahren zugunsten der Klägerinnen.

Nur eine Woche später folgte dann im Landtag die „Rolle rückwärts“: Es bleibt beim alten Verfahren mit dem unaussprechlichen Namen.

Jede Stimme zählt: Das »Nebenwahl«-Dilemma

Spannend und möglicherweise entscheidend wird sein, wie gut es den Wahlkämpfenden gelingt, ihre Anhängerschaft zum Urnengang zu mobilisieren. Ähnlich wie Wahlen zum Europäischen Parlament haftet Kommunalwahlen einer These aus der Politikwissenschaft zufolge der Ruf einer „second-order election“ an, ins Deutsche meist als „Nebenwahl“ übersetzt: in der Rezeption von Bürgerinnen und Bürgern, Medien aber auch der Parteien selbst gälten sie als weniger wichtig als nationale Wahlen, was zu einer geringeren Aufmerksamkeit und geringerer Wahlbeteiligung führe.  

Auch in Lübbecke ist diese, einem bundesweiten Trend folgend, seit Jahrzehnten rückläufig. 1975, bei der ersten Kommunalwahl nach der Gebietsreform, hatte sie bei für heutige Verhältnisse traumhaften 87 Prozent gelegen, 1994 immerhin noch bei 83,5 – wohl auch deswegen, weil der kommunale Urnengang gemeinsam mit der Bundestagswahl abgehalten wurde. 1999 folgte ein jäher Absturz auf 59 Prozent, ehe 2014 mit 47,88 Prozent der bisherige Tiefpunkt erreicht wurde.
 
Bei den Kommunalwahlen am 13. September 2020 (Rat, Kreistag und Landrat/Landrätin) erholte sich die Zahl leicht auf rund 52 Prozent, an der Landrats-Stichwahl 14 Tage darauf beteiligten sich 32,31 Prozent der Wahlberechtigten. Die isolierte Landratswahl am 15. Januar 2023 mobilisierte in Lübbecke 33,7 Prozent des Wahlvolks, die anschließende Stichwahl noch 30,23 Prozent.

Aussichten: Heiter bis wolkig

Regelmäßig wird über den Einfluss des Wetters auf den Ausgang von Wahlen spekuliert. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) von 2016 in der Fachzeitschrift „Electoral Studies“ kommt zu dem Ergebnis, dass ungemütliches Wetter eher der CDU in die Karten spiele, Sonnenschein hingegen der SPD.

Eine Analyse der Wahlergebnisse der Jahre 1975 bis 2010 in Nordrhein-Westfalen habe demnach ergeben: War das Wetter gut, stieg die Wahlbeteiligung um einen Prozentpunkt, und bis zu drei Viertel der zusätzlichen Stimmen gingen aufs Konto der Sozialdemokraten. Die Effekte bei den übrigen Parteien fielen niedriger aus, entsprechend ihrem geringeren Anteil an allen Wählerstimmen. Die Wähler der Grünen zeigten sich demnach als robusteste „Allwetter-Demokraten“ und ließen sich beim Urnengang am wenigsten von Wind und Wetter beeinflussen.

Für alle, die sich die Wartezeit bis zum Eintrudeln handfester Auszählungsergebnisse mit Kaffeesatzleserei verkürzen möchten, kommt hier ein exklusiver Service ihrer Stadtverwaltung: Für den Wahltag sagt der Lübbecker Meteorologe Fritz Föst etwas Sonne, im Verlauf auch dichtere Wolken bei Temperaturen bis 19 Grad voraus, wobei es die meiste Zeit trocken bleiben soll.